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Physik für Straßenkinder

ln einem fachdidaktischen Projekt in Kolumbien erhalten Straßenkinder in Patios Physikunterricht.

Manuela Welzel-Breuer und Elmar Breuer

(Publikation erschienen in: Physik Journal 14 (2015) Nr. 8/9)

Ausgezeichnet mit dem Georg - Kerschensteiner - Preis

Projekt kompakt

  • Im Projekt „Patio 13-Schule für Straßenkinder“ geht es darum, Bildungsangebote für Straßenkinder zu machen und ihnen dadurch neue Perspektiven zu eröffnen.
  • Ein zentraler Teil ist die Ausbildung von Lehramtsstudierenden, welche die Straßenkinder unterrichten.
  • In der Physik hat sich das forschend-entdeckende Lernen bewährt, weil die Straßenkinder gerne selbst Dinge in die Hand nehmen und dieser Zugang sie für naturwissenschaftliche Phänomene motiviert.
  • In 15 Jahren haben rund hundert kolumbianische Lehramtsstudierende und zahlreiche Straßenkinder von dem Projekt profitiert.

Seit 2002 sind wir Teil des deutsch-kolumbianischen Bildungsprojekts,,Patio 13 – Schule für Straßenkinder“. In diesem Rahmen suchen wir nach Wegen, Straßenkinder in Physik zu unterrichten. Außerdem vermitteln wir kolumbianischen Lehramtsstudierenden das notwendige Handwerkszeug, um Straßenkinder für physikalische Phänomene zu interessieren. Durch Bildung wollen wir die Situation dieser Kinder verbessern und ihnen neue Lebensperspektiven vermitteln.


Straßenkinder sind eine weltweit wachsende Herausforderung [1, 2]. Gemäß der UN-Konvention über die Rechte des Kindes hat die Gesellschaft die Aufgabe, allen Kindern einen Zugang zu Bildung zu verschaffen [3]. Insbesondere in Kolumbien leben viele Kinder auf der Straße und wachsen ohne Eltern, Familien und Bildung auf. Oft leben sie im Einzugsbereich großer Städte wie Medellin. Soziale Einrichtungen wie Patios sorgen sich um sie und bieten Nahrung, Schutz und Gesundheitsfürsorge. Meist gibt es aber kaum Bildungsangebote. Das Projekt „Patio 13“ setzt genau hier an: Seit 15 Jahren arbeitet eine interdisziplinäre Gruppe von Bildungsexperten aus Kolumbien und Deutschland zusammen. Beteiligt sind die Escuela Normal Superior Maria Auxiliadora (Copacabana bei Medellin), die Universidad de Antioquia (Medellin), die Pädagogischen Hochschulen Heidelberg und Freiburg sowie die Universität Heidelberg. Ziel ist ein Bildungsprogramm mit Angeboten in unterschiedlichen Disziplinen, das in Patios und weiteren Einrichtungen für Kinder in schwierigen Lebenslagen angeboten wird [1]. Gemeinsam mit Studierenden einer lehrerbildenden Einrichtung bei Medellin haben wir im Rahmen kurzer Projektaufenthalte verschiedene Strategien entwickelt und erprobt. Dabei nutzten wir den forschend-entdeckenden Zugang zum naturwissenschaftlichen Unterricht [4], einfache Materialien und Experimente und ergänzten so die Bildungsangebote der Schule für Straßenkinder. Das Hauptproblem bestand darin, kolumbianische Lehramtsstudierende in kurzer Zeit dazu zu befähigen, Straßenkinder in freiwilligen Angeboten für Physik zu interessieren und sie zu motivieren, sich mit physikalischen Phänomenen auseinander zu setzen. Um effektives Lernen zu erreichen, sind authentische Lernumgehungen erforderlich [5], welche die spezifischen Erfahrungen der Schulkinder sowie ihren sozialen Habitus berücksichtigen [6]. Straßenkinder leben anders als Kinder, die eine Familie haben und zur Schule gehen [7, 1]. Sie verhalten sich entsprechend der Erfahrungen aus ihrem Leben auf der Straße und verfügen hinsichtlich der Gestaltung von Lehr-Lern-Arrangements über andere soziale Voraussetzungen [1]. Aus diesem Grund mussten wir über einen spezifischen Weg nachdenken, Straßenkinder an die Physik heranzuführen und Lehramtsstudenten auf diese Aufgabe vorzubereiten. Wir entschieden uns für das forschend-entdeckende Lernen [4] für die Straßenkinder sowie für die Ausbildung der Lehramtsstudenten, denn:

  • Straßenkinder sind eher praktisch und handwerklich erfahren und daran interessiert, Dinge selbst in die Hand zu nehmen [1, 2]. Viele stellen selbst Dinge her und verkaufen sie auf der Straße – ideale Voraussetzungen für unseren Zugang.
  • Die Lehramtsstudenten in Copacabana kennen nur theoretische Zugänge zur Physik und mussten erst eigene Erfahrungen mit dieser Herangehensweise sammeln.
  • Die verbalen Fähigkeiten von Straßenkindern sind eher schwach ausgebildet. Einerseits sind solche Fähigkeiten für das forschend-entdeckende Lernen nicht so entscheidend, andererseits lassen sie sich über die Zusammenarbeit in Gruppen und über das experimentelle Untersuchen von Phänomenen fördern.
  • Straßenkinder können in der Regel nicht gut lesen und schreiben [1, 2]. Unser Ansatz zeigt ihnen die Notwendigkeit, Beobachtungen und Entdeckungen zu dokumentieren.

Seit 2002 sind wir Teil des deutsch-kolumbianischen Bildungsprojekts,,Patio 13 – Schule für Straßenkinder“. In diesem Rahmen suchen wir nach Wegen, Straßenkinder in Physik zu unterrichten. Außerdem vermitteln wir kolumbianischen Lehramtsstudierenden das notwendige Handwerkszeug, um Straßenkinder für physikalische Phänomene zu interessieren. Durch Bildung wollen wir die Situation dieser Kinder verbessern und ihnen neue Lebensperspektiven vermitteln.


Straßenkinder sind eine weltweit wachsende Herausforderung [1, 2]. Gemäß der UN-Konvention über die Rechte des Kindes hat die Gesellschaft die Aufgabe, allen Kindern einen Zugang zu Bildung zu verschaffen [3]. Insbesondere in Kolumbien leben viele Kinder auf der Straße und wachsen ohne Eltern, Familien und Bildung auf. Oft leben sie im Einzugsbereich großer Städte wie Medellin. Soziale Einrichtungen wie Patios sorgen sich um sie und bieten Nahrung, Schutz und Gesundheitsfürsorge. Meist gibt es aber kaum Bildungsangebote. Das Projekt „Patio 13“ setzt genau hier an: Seit 15 Jahren arbeitet eine interdisziplinäre Gruppe von Bildungsexperten aus Kolumbien und Deutschland zusammen. Beteiligt sind die Escuela Normal Superior Maria Auxiliadora (Copacabana bei Medellin), die Universidad de Antioquia (Medellin), die Pädagogischen Hochschulen Heidelberg und Freiburg sowie die Universität Heidelberg. Ziel ist ein Bildungsprogramm mit Angeboten in unterschiedlichen Disziplinen, das in Patios und weiteren Einrichtungen für Kinder in schwierigen Lebenslagen angeboten wird [1]. Gemeinsam mit Studierenden einer lehrerbildenden Einrichtung bei Medellin haben wir im Rahmen kurzer Projektaufenthalte verschiedene Strategien entwickelt und erprobt. Dabei nutzten wir den forschend-entdeckenden Zugang zum naturwissenschaftlichen Unterricht [4], einfache Materialien und Experimente und ergänzten so die Bildungsangebote der Schule für Straßenkinder. Das Hauptproblem bestand darin, kolumbianische Lehramtsstudierende in kurzer Zeit dazu zu befähigen, Straßenkinder in freiwilligen Angeboten für Physik zu interessieren und sie zu motivieren, sich mit physikalischen Phänomenen auseinander zu setzen. Um effektives Lernen zu erreichen, sind authentische Lernumgehungen erforderlich [5], welche die spezifischen Erfahrungen der Schulkinder sowie ihren sozialen Habitus berücksichtigen [6]. Straßenkinder leben anders als Kinder, die eine Familie haben und zur Schule gehen [7, 1]. Sie verhalten sich entsprechend der Erfahrungen aus ihrem Leben auf der Straße und verfügen hinsichtlich der Gestaltung von Lehr-Lern-Arrangements über andere soziale Voraussetzungen [1]. Aus diesem Grund mussten wir über einen spezifischen Weg nachdenken, Straßenkinder an die Physik heranzuführen und Lehramtsstudenten auf diese Aufgabe vorzubereiten. Wir entschieden uns für das forschend-entdeckende Lernen [4] für die Straßenkinder sowie für die Ausbildung der Lehramtsstudenten, denn:

  • Straßenkinder sind eher praktisch und handwerklich erfahren und daran interessiert, Dinge selbst in die Hand zu nehmen [1, 2]. Viele stellen selbst Dinge her und verkaufen sie auf der Straße – ideale Voraussetzungen für unseren Zugang.
  • Die Lehramtsstudenten in Copacabana kennen nur theoretische Zugänge zur Physik und mussten erst eigene Erfahrungen mit dieser Herangehensweise sammeln.
  • Die verbalen Fähigkeiten von Straßenkindern sind eher schwach ausgebildet. Einerseits sind solche Fähigkeiten für das forschend-entdeckende Lernen nicht so entscheidend, andererseits lassen sie sich über die Zusammenarbeit in Gruppen und über das experimentelle Untersuchen von Phänomenen fördern.
  • Straßenkinder können in der Regel nicht gut lesen und schreiben [1, 2]. Unser Ansatz zeigt ihnen die Notwendigkeit, Beobachtungen und Entdeckungen zu dokumentieren.

Drei Strategien

Im Rahmen unseres Projektes verbinden wir bereits existierende Erkenntnisse im Umgang mit Straßenkindern und moderne fachdidaktische Vorgehensweisen miteinander. Die kolumbianischen Lehramtsstudierenden kennen die Gewohnheiten der Straßenkinder und wissen, wie sie mit ihnen interagieren. Zweimal pro Woche bieten sie im Rahmen von Praktika im Patio Lernumgebungen u. a. für mathematische und muttersprachliche Bildung an. Diese Erfahrung ist eine wichtige Voraussetzung für das Projekt. Eine große Herausforderung besteht darin, die Studierenden mit dem forschend-entdeckenden Lernen vertraut zu machen. Diesen Zugang kennen sie weder aus Schule noch Studium. Im Verlauf von sieben Projektaufenthalten zwischen 2002 und 2012 haben wir drei verschiedene Strategien, mit kolumbianischen Studierenden und Straßenkindern zu arbeiten, erprobt.

Strategie 1: Physikkurs-Planung-Unterricht-Videoreflexion

Wir beginnen mit einem Physikkurs für die Studieren-den, der auf einen ausgewählten Inhalt wie elektrische Stromkreise und Elektromagnetismus fokussiert ist und sechs bis zwölf Unterrichtsstunden dauert. In diesem Kurs können die Studierenden ihre physikalischen und methodischen Kenntnisse auffrischen und vertiefen. Auf dieser Grundlage entwickeln sie in kleinen Gruppen Einheiten für ihren eigenen Unterricht. Die Unterrichtsideen diskutieren sie in der Gruppe. Diese Phase dauert zwei bis vier Stunden. Danach werden die Unterrichtsstunden im Patio gehalten. Die anderen Studierenden und wir beobachten jede Unterrichtsstunde. In einem anschließenden Seminar zur gemeinsamen Reflexion werden Verbesserungsideen gesammelt und diskutiert. Sie sollen in die Planung der folgenden Stunden eingehen.

Strategie 2: Planung – Unterricht – Videoreflexion

Diese Strategie lässt sich einsetzen, wenn die Studierenden bereits Unterrichtsideen entwickelt und er-probt haben und auf Wissen und Können aus unserer Zusammenarbeit zurückgreifen können. In diesem Fall entfallt der einführende Physikkurs und wir können bereits vor der Reise über einen intensiven E-Mail-Kontakt Themen für den Unterricht auf Grundlage der Interessen und Wünsche der Studierenden auswählen und inhaltlich vorbereiten. Während der methodischen Unterrichtsplanung vor Ort unterstützen wir die Studierenden mit Material, methodischen Ideen und wissenschaftlichen Erklärungen. Diese Vorbereitung dauert etwa sechs Stunden. Der Unterricht wird dann mit Straßenkindern aus einem Patio umgesetzt, beobachtet und per Video dokumentiert. Zusammen mit den Studierenden reflektieren wir jede Stunde gemeinsam und diskutieren Verbesserungsvorschläge, erfolgreiches Lehrerhandeln und problematische Situationen. Die jeweils folgende Gruppe kann diese Hinweise gleich berücksichtigen.

Strategie 3: Interaktiver Erlebnistag-Durchführung, Dokumentation, Reflexion

Das Ziel besteht darin, eine interaktive naturwissenschaftliche Ausstellung für Straßenkinder und Schulkinder zu planen und zu organisieren. Hierfür bereiten wir eine Liste möglicher Experimentierstationen zu unterschiedlichen physikalischen Phänomenen vor und schicken sie nach Kolumbien. Kleingruppen von Studierenden können aus dieser Liste wählen und eigene Ideen ergänzen. Innerhalb der ersten Tage unseres Aufenthalts (vier bis acht Stunden) erproben die Studierenden die Phänomene und Experimente selbst, um sie genauer zu verstehen. Danach entwickeln sie eigene interaktive Stationen. Die so entstandenen Umsetzungsideen für die interaktive Ausstellung präsentieren sie in der Gruppe, erklären und diskutieren sie. Die Ausstellung soll den Besuchern ein nachhaltiges naturwissenschaftliches Erlebnis bieten. Eine der interaktiven Ausstellungen auf dem Schulgelände der kolumbianischen Partnerschule lockte etwa tausend Besucher sowie mehrere Gruppen von Straßenkindern aus unterschiedlichen Institutionen an. Berichte und Fotodokumentationen dienen der an-schließenden pädagogisch-didaktischen Reflexion mit „unseren“ Studierenden.

Strategie 1: Physikkurs-Planung-Unterricht-Videoreflexion

Wir beginnen mit einem Physikkurs für die Studieren-den, der auf einen ausgewählten Inhalt wie elektrische Stromkreise und Elektromagnetismus fokussiert ist und sechs bis zwölf Unterrichtsstunden dauert. In diesem Kurs können die Studierenden ihre physikalischen und methodischen Kenntnisse auffrischen und vertiefen. Auf dieser Grundlage entwickeln sie in kleinen Gruppen Einheiten für ihren eigenen Unterricht. Die Unterrichtsideen diskutieren sie in der Gruppe. Diese Phase dauert zwei bis vier Stunden. Danach werden die Unterrichtsstunden im Patio gehalten. Die anderen Studierenden und wir beobachten jede Unterrichtsstunde. In einem anschließenden Seminar zur gemeinsamen Reflexion werden Verbesserungsideen gesammelt und diskutiert. Sie sollen in die Planung der folgenden Stunden eingehen.

Strategie 2: Planung – Unterricht – Videoreflexion

Diese Strategie lässt sich einsetzen, wenn die Studierenden bereits Unterrichtsideen entwickelt und er-probt haben und auf Wissen und Können aus unserer Zusammenarbeit zurückgreifen können. In diesem Fall entfallt der einführende Physikkurs und wir können bereits vor der Reise über einen intensiven E-Mail-Kontakt Themen für den Unterricht auf Grundlage der Interessen und Wünsche der Studierenden auswählen und inhaltlich vorbereiten. Während der methodischen Unterrichtsplanung vor Ort unterstützen wir die Studierenden mit Material, methodischen Ideen und wissenschaftlichen Erklärungen. Diese Vorbereitung dauert etwa sechs Stunden. Der Unterricht wird dann mit Straßenkindern aus einem Patio umgesetzt, beobachtet und per Video dokumentiert. Zusammen mit den Studierenden reflektieren wir jede Stunde gemeinsam und diskutieren Verbesserungsvorschläge, erfolgreiches Lehrerhandeln und problematische Situationen. Die jeweils folgende Gruppe kann diese Hinweise gleich berücksichtigen.

Strategie 3: Interaktiver Erlebnistag-Durchführung, Dokumentation, Reflexion

Das Ziel besteht darin, eine interaktive naturwissenschaftliche Ausstellung für Straßenkinder und Schulkinder zu planen und zu organisieren. Hierfür bereiten wir eine Liste möglicher Experimentierstationen zu unterschiedlichen physikalischen Phänomenen vor und schicken sie nach Kolumbien. Kleingruppen von Studierenden können aus dieser Liste wählen und eigene Ideen ergänzen. Innerhalb der ersten Tage unseres Aufenthalts (vier bis acht Stunden) erproben die Studierenden die Phänomene und Experimente selbst, um sie genauer zu verstehen. Danach entwickeln sie eigene interaktive Stationen. Die so entstandenen Umsetzungsideen für die interaktive Ausstellung präsentieren sie in der Gruppe, erklären und diskutieren sie. Die Ausstellung soll den Besuchern ein nachhaltiges naturwissenschaftliches Erlebnis bieten. Eine der interaktiven Ausstellungen auf dem Schulgelände der kolumbianischen Partnerschule lockte etwa tausend Besucher sowie mehrere Gruppen von Straßenkindern aus unterschiedlichen Institutionen an. Berichte und Fotodokumentationen dienen der an-schließenden pädagogisch-didaktischen Reflexion mit „unseren“ Studierenden.

Forschungsfragen und Ergebnisse

Für die Auswertung unseres Projekts stehen uns umfangreiche Felddaten wie ausführliche Beobachtungsprotokolle zu allen Projekttagen, Videoaufzeichnungen aller Seminare und Unterrichtsangebote, schriftliche Reflexionen der Studierenden und Fotos zur Verfügung.

Weil unsere Aufenthalte in Kolumbien nur kurz sind und sich die Studierenden mit einer völlig neuen Methode vertraut machen mussten, sahen wir uns mit drei Herausforderungen konfrontiert:

Erstens galt es, Lehramtsstudierende innerhalb weniger Wochen dazu zu befähigen und zu motivieren, Straßenkindern Physik näher zu bringen.

Generell haben sich die Studierenden sehr interessiert mit den physikalischen Inhalten auseinandergesetzt.

Der forschend-entdeckende Zugang war für sie selbst überraschend attraktiv. Sie genossen es, Phänomene empirisch zu untersuchen und begannen, selbst Fragen zu stellen und nach Antworten zu suchen: Sie nutzten alte Schulhefte, die Schulbibliothek oder das Internet, um fachliche Erklärungen zu finden und physikalisches Hintergrundwissen zu erlangen. Offensichtlich waren sie motiviert, mehr in diesem Bereich zu lernen und zu verstehen.

Wir konnten beobachten, dass sie Experimente und Material variierten. Jedoch zeigte sich, dass die kurze Einführung in die physikalischen und experimentellen Grundlagen nicht ausreicht, um alle fachlichen Hürden in der Interaktion mit den Straßenkindern zu meistern. So blieben z. B. Fehler in einfachen elektrischen Schaltungen unerkannt. Dennoch sind die Studierenden nun in der Lage, Straßenkinder für die Phänomene und Experimente zu interessieren und sie zu motivieren, sich mit physikalischen Inhalten zu beschäftigen.

Zweitens haben wir uns gefragt, wie die Studierenden ihre Lernangebote hinsichtlich Material und Methoden umsetzen. Für die Unterrichtsvorbereitung nutzten sie die von uns angebotenen Materialien und Experimentierideen und entwickelten sie weiter. Dabei verknüpften sie das forschend-entdeckende Lernen mit ihren traditionellen Unterrichtsmethoden und banden z. B. Geschichten oder typische Spiele ein und passten sie an den Unterrichtsinhalt an. Die Studierenden brachten viele eigene Ideen zu Themen, Experimenten und Produkten ein, die sich besonders für Straßenkinder eignen. Sie konstruierten mit ihnen z. B. Kaleidoskope und Periskope, nutzten Motorradbatterien, um hohe Stromstärken zu erzielen, und setzten Themen wie Zeitmessung, Magnetismus, Funktion oder Kapazität der Lunge um.

Drittens galt es zu klären, wie groß das Interesse der Straßenkinder an den Lernangeboten ist. Generell konnten die Studierenden die meisten Straßenkinder sehr gut motivieren, sich mit physikalischen Themen zu beschäftigen. Die Straßenkinder experimentierten bis zu 60 Minuten am Stück, nutzten das Material ausgiebig und wiederholten ihre Experimente immer wieder. Sie zeigten sich überrascht über beobachtete Phänomene und waren stolz auf eigene Erfolge, wenn sie z. B. einen funktionierenden Elektromagneten konstruiert hatten oder einen komplexen elektrischen Stromkreis. Selbst gebaute Kaleidoskope und Periskope also Dinge, die sie anschließend mitnehmen konnten wurden wie Schätze behandelt.

Selbst nach längeren Experimentierphasen füllten die Straßenkinder noch geduldig Arbeitsblätter aus, um ihre Ergebnisse festzuhalten.

Oftmals fragten sie sogar nach weiteren Angeboten oder wann es mit den Experimenten weiter gehe. Im Rahmen eines längeren Projektaufenthalts konnten wir beobachten, dass die Straßenkinder eine über fünf Wochen anhaltende Motivation zeigten, sich mit Elektrizität und Magnetismus auseinander zu setzen!

Da Straßenkinder es nicht gewohnt sind, in Gruppen zu arbeiten und zu teilen, muss Experimentiermaterial in ausreichender Menge für jedes Kind vorhanden sein. Zudem sollte das Material immer erst ausgeteilt werden, wenn es benötigt wird. Begannen die Studierenden ihren Unterricht mit langen Einführungen und Erklärungen, wurden die Straßenkinder bald unruhig und fingen an, sich mit eigenem Spielzeug zu beschäftigen, dazwischenzurufen oder ihren Unmut zu äußern. Einzelne Kinder konnten sich nicht lange konzentrieren und verließen den Unterricht, um anderes zu tun. Einige kamen aber bald zurück und mischten sich neugierig unter die anderen Kinder.

Zusammenfassung und Ausblick

Fünfzehn Projektjahre liegen hinter uns. In dieser Zeit haben wir mit etwa hundert kolumbianischen Studierenden zusammengearbeitet und sehr viel voneinander über die verschiedenen Kulturen und Bildungsmöglichkeiten gelernt. Von Beginn an war es uns wichtig, nicht einseitig in eine bestehende Kultur einzugreifen, sondern immer in einen konstruktiven Austausch zu kommen. Zahlreiche Studierende der Pädagogischen Hochschule Heidelberg besuchten die Escuela Normal Superior Maria Auxiliadora und beteiligten sich vor Ort an den Bildungsangeboten. Viele kolumbianische Studierende hatten die Möglichkeit, ihr Wissen bei einem Studienaufenthalt an der PH Heidelberg zu erweitern und zu vertiefen. Dieser interkulturelle Austausch ist nicht hoch genug zu schätzen und wird weiter gepflegt. Es lässt sich nicht abschätzen, wie viele Straßenkinder oder Kinder in schwierigen Lebenslagen wir bisher erreicht haben. Wir wissen aber, dass alle Beteiligten auch über die regelmäßigen Besuche und Projektaufenthalte hinaus intensiv die erarbeiteten Bildungsangebote fortsetzten. Die Escuela Normal Superior Maria Auxiliadora ist inzwischen zu einem Lehrerfortbildungszentrum für Naturwissenschaften geworden. Zudem stehen naturwissenschaftliche Angebote auch in der Vorschule und in der Primarstufe sowie im außerschulischen Bereich auf der Tagesordnung. Wir selbst werden im Jubiläumsjahr 2015 wieder für zwei Wochen nach Kolumbien reisen und eine interaktive Ausstellung mit Studierenden vor Ort vorbereiten und in der Festwoche im September durchführen.

Danksagung

Viele enthusiastische und kreative Menschen waren und sind am Projekt „Physik für Straßenkinder“ beteiligt oder haben es unterstützt. Unser besonderer Dank gilt Hartwig Weber und Sor Sara Sierra Jaramillo, den Initiatoren von „Patio 13“, unseren kolumbianischen Lehramtsstudenten und Kollegen der Escuela Normal Superior Maria Auxiliadora in Copacabana, Henrike Schön vom Akademischen Auslandsamt und der PH Heidelberg für die Unterstützung unserer Forschungsaufenthalte sowie der Landesstiftung Baden Württemberg für die Ermöglichung von Studierendenaustauschen zwischen Deutschland und Kolumbien.

Literatur

[1] G. E. Herrera Casilimas et al., Tejiendo caminos de esperanza, Pn’gon, Medellin (2012)

[2] Straßenkinderreport, www.strassenkinderreport.de (2013)

[3] UN, Convention on the Rights of the Child, www.ohchr.org/ Documents/Professionallnterest/crc.pdf (1989)

[4] M. Rocard et al., Science education now: A Renewed Pedagogy for the Future of Europe, Brüssel (2007)

[5] W-M. Roth, Authentic School Science: Knowing and Learning in Open-Inquiry Laboratories, Kluwer Academic Publishing, Dordrecht/Niederlande (1995)

[6] P. Bourdieu, Sozialer Sinn, Suhrkamp, Frankfurt am Main (1993)

[7] H. Weber und S. Sierra Jaramillo, Narben auf meiner Haut. Straßenkinder fotografieren sich selbst, Büchergilde Gutenberg, Frankfurt am Main (2003)

Zusammenfassung und Ausblick

Fünfzehn Projektjahre liegen hinter uns. In dieser Zeit haben wir mit etwa hundert kolumbianischen Studierenden zusammengearbeitet und sehr viel voneinander über die verschiedenen Kulturen und Bildungsmöglichkeiten gelernt. Von Beginn an war es uns wichtig, nicht einseitig in eine bestehende Kultur einzugreifen, sondern immer in einen konstruktiven Austausch zu kommen. Zahlreiche Studierende der Pädagogischen Hochschule Heidelberg besuchten die Escuela Normal Superior Maria Auxiliadora und beteiligten sich vor Ort an den Bildungsangeboten. Viele kolumbianische Studierende hatten die Möglichkeit, ihr Wissen bei einem Studienaufenthalt an der PH Heidelberg zu erweitern und zu vertiefen. Dieser interkulturelle Austausch ist nicht hoch genug zu schätzen und wird weiter gepflegt. Es lässt sich nicht abschätzen, wie viele Straßenkinder oder Kinder in schwierigen Lebenslagen wir bisher erreicht haben. Wir wissen aber, dass alle Beteiligten auch über die regelmäßigen Besuche und Projektaufenthalte hinaus intensiv die erarbeiteten Bildungsangebote fortsetzten. Die Escuela Normal Superior Maria Auxiliadora ist inzwischen zu einem Lehrerfortbildungszentrum für Naturwissenschaften geworden. Zudem stehen naturwissenschaftliche Angebote auch in der Vorschule und in der Primarstufe sowie im außerschulischen Bereich auf der Tagesordnung. Wir selbst werden im Jubiläumsjahr 2015 wieder für zwei Wochen nach Kolumbien reisen und eine interaktive Ausstellung mit Studierenden vor Ort vorbereiten und in der Festwoche im September durchführen.

Danksagung

Viele enthusiastische und kreative Menschen waren und sind am Projekt „Physik für Straßenkinder“ beteiligt oder haben es unterstützt. Unser besonderer Dank gilt Hartwig Weber und Sor Sara Sierra Jaramillo, den Initiatoren von „Patio 13“, unseren kolumbianischen Lehramtsstudenten und Kollegen der Escuela Normal Superior Maria Auxiliadora in Copacabana, Henrike Schön vom Akademischen Auslandsamt und der PH Heidelberg für die Unterstützung unserer Forschungsaufenthalte sowie der Landesstiftung Baden Württemberg für die Ermöglichung von Studierendenaustauschen zwischen Deutschland und Kolumbien.

Literatur

[1] G. E. Herrera Casilimas et al., Tejiendo caminos de esperanza, Pn’gon, Medellin (2012)

[2] Straßenkinderreport, www.strassenkinderreport.de (2013)

[3] UN, Convention on the Rights of the Child, www.ohchr.org/ Documents/Professionallnterest/crc.pdf (1989)

[4] M. Rocard et al., Science education now: A Renewed Pedagogy for the Future of Europe, Brüssel (2007)

[5] W-M. Roth, Authentic School Science: Knowing and Learning in Open-Inquiry Laboratories, Kluwer Academic Publishing, Dordrecht/Niederlande (1995)

[6] P. Bourdieu, Sozialer Sinn, Suhrkamp, Frankfurt am Main (1993)

[7] H. Weber und S. Sierra Jaramillo, Narben auf meiner Haut. Straßenkinder fotografieren sich selbst, Büchergilde Gutenberg, Frankfurt am Main (2003)