Ein naturwissenschaftlicher Erlebnistag für Schüler und Straßenkinder
Bericht zum Aufenthalt in Copacabana/Medellin 01.08.05 bis 16.08.05
von Elmar Breuer und Manuela Welzel
von Elmar Breuer und Manuela Welzel
Am Montag, den 01.08.05 trafen wir gegen Abend auf Medellins Flughafen in Rio Negro ein. Zu unserer Erleichterung war das Gepäck, das auch einiges an wichtigem Experimentiermaterial umfasste, vollständig und unbeschädigt eingetroffen. Wie schon in den Jahren zuvor wurden wir vom Flughafen abgeholt und von unserer Gastfamilie herzlich aufgenommen.
Am Dienstagmorgen fand zunächst eine ausführliche Besprechung des Plans für unseren Aufenthalt mit Sor Sara, der Schulleiterin der Escuéla Normal Superior María Auxiliadora statt. An dieser Besprechung nahm Christoph Schulze, der als Fotograf mit uns arbeiten sollte sowie ein Koordinatorenteam von Studentinnen der Escuéla Normal und einem Studenten der Universidad de Antioquia teil. Das Koordinatorenteam hatte bereits seit einigen Wochen an den Vorbereitungen für unser Projekt gearbeitet. Ziel des Projekts sollte es sein, während unseres Aufenthalts mit einer Gruppe von Studentinnen und Studenten (zukünftigen Lehrerinnen und Lehrern) der Escuéla Normal einen naturwissenschaftlichen Erlebnistag mit interaktiven Experimenten vorzubereiten und durchzuführen. Zu diesem Erlebnistag sollten Schülerinnen und Schüler der Escuéla Normal sowie Gruppen von Straßenkindern eingeladen werden. Ein wichtiger Aspekt war dabei, die Straßenkinder in diesem Rahmen an die Umgebung einer regulären Schule heranzuführen und sie in dieser für sie neuen Umgebung zu beobachten.
Wir erfuhren, dass wir in den kommenden zwei Wochen mit einer Gruppe von ca. 25 Studentinnen und Studenten arbeiten würden. Zur Vorbereitung des Erlebnistages mit der Studentengruppe waren sieben Termine zu jeweils drei Stunden eingeplant, sowie Treffen des Koordinationsteams zur Bearbeitung organisatorischer Fragen und zur Information des Umfeldes Treffen mit Lehrerinnen und Lehrern der Normal. Aus dem zunächst geplanten einen Erlebnistag sollten direkt anschließend an die Vorbereitung zwei aufeinander folgende Erlebnistage werden.
Beim ersten Treffen mit unserer Studentinnengruppe erfuhren wir, dass diese sich schon im Vorfeld unterschiedlichen Themengebieten, die wir zum Teil per E-mail zur Erarbeitung vorgeschlagen hatten, zugeordnet hatten. Wir ließen die Gruppen das zu den Themengebieten jeweils vorhandene Experimentiermaterial zunächst frei erkunden. Erste Experimente wurden durchgeführt und Erklärungen gesucht. Wir stellten außerdem weiteres Experimentiermaterial zur Verfügung, um Anregungen für Ergänzungen zu geben.
Erste Experimente mit einer Leuchtdiode.
Am zweiten Tag stellten wir den Gruppen bereits die Aufgabe, eines ihrer Experimente im Plenum zu präsentieren und zu erklären. Sie sollten dabei die Situation an den Erlebnistagen simulieren – fachdidaktische Aspekte gesellten sich also ausdrücklich zu den inhaltlichen. Dazu wurden die Versuchsaufbauten verbessert und erprobt sowie Theorien zur Erklärung der Experimente entwickelt. Allgemein zeigt sich das Bestreben, vor dem Experiment ausführlich Theorie zu klären. Aber auch die Experimente wurden engagiert vorgeführt. Den Präsentationen merkte man an, dass die Studentinnen mit solchen Übungen vertraut waren.
Ein Stromkreis aus einer Batterie, einer Glühlampe und zwei lichtabhängigen Widerständen (LDR) wird vorgeführt und erläutert.
An den folgenden Tagen erarbeitete jede der sieben Gruppen ein Repertoire von etwa 5-10 Experimenten für die Erlebnistage, die jeweils insgesamt eine zusammenhängende Lernsequenz bilden sollten:
Einen wichtigen Zielpunkt bei der Erarbeitung der Experimente bildete der „Fototermin“ am fünften Tag. Hier sollte jedes für den Erlebnistag vorgesehene Experiment einmal perfekt aufgebaut und dann von unserem Fotografen im Bild festgehalten werden.
„Fototermin“: Hier wird demonstriert, wie ein Reedkontakt einen Stromkreis schließt, wenn man ihm einen Magneten annähert.
Die Fotos sollen einerseits den Prozess der Erarbeitung und Durchführung der Erlebnistage dokumentieren, andererseits aber auch für eine Dokumentation der Experimente eingesetzt werden, welche von den Studentinnen im Nachhinein erarbeitet wird. Darüber hinaus bot der Fototermin jedoch auch einen Anlass für die Studentinnen, ihre Experimente besonders sorgfältig aufzubauen und noch einmal über Zielstellung und mögliche Erklärungsansätze im Hinblick auf die Erlebnistage nachzudenken.
An den letzten Vorbereitungstagen erstellten die Studentinnen Plakate mit Ankündigungen, Fragen, Experimentieraufgaben und Anregungen zu Experimenten sowie weiteren Informationen zu ihren Experimentierstationen.
Beispiel für die Gestaltung eines Plakates für eine Experimentierstation
Am Ende konnten wir stolz etwa 40 Experimente in sieben Themengruppen präsentieren.
Mit dem Koordinatorenteam wurde die Organisation der Erlebnistage festgelegt: Den Gruppen wurden geeignete Orte auf dem Gelände der Normal zugewiesen, die Abfolge der Besuchergruppen wurde festgelegt. Jeweils zwei Themengruppen lagen örtlich nahe zueinander. Wir erwarteten insgesamt etwa 1050 Schülerinnen und Schülern der Escuéla Normal und zweier benachbarter Schulen und Straßenkinder, die in Gruppen zu 25 Personen jeweils eine gute Stunde Zeit hatten, um die Reihe der Experimentierthemen zu absolvieren. Die Straßenkinder wurden mit Bussen aus dem Patio in die Normal gebracht.
Die beiden Erlebnistage fanden bei guten Wetterbedingungen (besonders wichtig für die Experimente mit Solarzellen!) und in allgemein sehr lebhafter und gut gelaunter Atmosphäre statt. Das Angebot wurde sowohl von den regulären Schülerinnen und Schülern als auch von den Straßenkindern sehr gut angenommen.
Hier wird eine Glühlampe an einer Batterie zum Leuchten gebracht.
Leitet Wasser den elektrischen Strom?
Wie ist ein Elektromagnet aufgebaut und was kann man damit machen?
Hier werden der Aufbau und die Funktionsweise eines Reed-Motors untersucht.
Zeichnen im „Spiegelbild“ erfordert volle Konzentration
Verschiedene Experimente zum Thema „Solarzellen“
Vergleich von unterschiedlichen Fernrohrtypen.
Wie lässt sich das Teufelchen auf den Boden drücken?
Der Aufbau der Leonardo-Brücke erfordert konzentrierte Teamarbeit.
Die für die Experimentierstationen zuständigen Studentinnen waren hoch motiviert, hilfsbereit gegenüber den Besuchern und engagierten sich sehr beim Erläutern der Phänomene und beim Geben von Zusatzinformationen. Wir konnten an verschiedenen Stellen beobachten, dass die Studentinnen unserer Gruppe im Verlauf der Erlebnistage deutlich dazulernten: Sie nahmen sich einerseits mehr zurück und überließen den Besuchern das Experimentieren, andererseits wurden ihre Erklärungen fachlich und didaktisch immer besser. Viele der Studentinnen zeigten sich überrascht wegen der vielen und zum Teil auch kompetenten Fragen, mit denen sie an den Erlebnistagen konfrontiert wurden. Diese Fragen lösten offenbar deutliche Entwicklungsprozesse bei den Studentinnen aus.
Auch die Straßenkinder, die sich zunächst recht unsicher auf dem ungewohnten Schulgelände bewegten, fanden Gefallen an den Experimentierstationen. Sie ließen sich von den Experimenten locken, experimentierten und zeigten sich überrascht über die verschiedenen Phänomene. Einige von ihnen begannen sogar die Experimente zu variieren und nach Erklärungen zu suchen.
Unser Abschlussgespräch mit den Studentinnen zeigte, dass die intensive Arbeit für alle ein großer Erfolg war. Die Studentinnen waren überrascht, wozu sie selbst fähig waren. Sie hatten erlebt wie es ist, so viele Kinder zu begeistern und zu aktivieren. Sie stellten aber auch fest, dass viele der Besucher gerne mehr Zeit zum Experimentieren gehabt hätten. Sie diskutierten mit Hingabe Schwachstellen in der Logistik der Erlebnistage und entwickelten bereits weitergehende Ideen.
Da ist es dann auch nicht verwunderlich, wenn weitere Pläne geschmiedet wurden. Die im Rahmen unseres Besuches erarbeiteten Experimente sollen nun schriftlich festgehalten werden. Ziel ist es, ein Buch (bzw. Büchlein) zu den Experimenten mit Fotos und Erklärungen zu produzieren. Die Materialsammlung zur Schule für Straßenkinder soll mit Unterrichtsbeispielen zu Naturwissenschaften für Straßenkinder ergänzt werden. Die Experimente selbst werden als Nächstes – „in handhabbare Portionen“ verpackt – in die kontinuierliche Arbeit mit Straßenkindern einbezogen. Wir planen im nächsten Jahr etwas genauer die Lernprozesse der Straßenkinder zu beobachten und zu analysieren. Mit welchen Vorkenntnissen können wir im naturwissenschaftlichen Bereich rechnen? Was ist für sie interessant und motivierend? Inwieweit können die Studentinnen sie vom Experimentieren zur Modellbildung führen? Wir sind gespannt, inwieweit wir diese noch unbeantworteten Fragen beantworten können.
Unsere Reise nach Kolumbien wurde finanziell von der Pädagogischen Hochschule Heidelberg unterstützt. Wir danken für die Bereitstellung von Unterrichtsmaterial und Reisekostenzuschüssen.
Heidelberg, im September 2005