Studentinnen und Studenten unterrichten Straßenkinder in Naturwissenschaften
Bericht zum Aufenthalt in Copacabana/Medellin 05.08.06 bis 19.08.06
von Elmar Breuer und Manuela Welzel
Bericht zum Aufenthalt in Copacabana/Medellin 05.08.06 bis 19.08.06
von Elmar Breuer und Manuela Welzel
Am Montag, den 05.08.05 trafen wir ein weiteres Mal gegen Abend auf Medellins Flughafen in Rio Negro ein. Die Stimmung wurde etwas getrübt, da zwei unserer Gepäckstücke – eines davon mit für unseren Aufenthalt wichtigen Unterrichtsmaterialien – nicht mit uns eintrafen.
Wie aus den Jahren zuvor gewohnt, wurden wir von Victor und Catalina am Flughafen abgeholt und von unserer Gastfamilie herzlich aufgenommen. Unsere fehlenden Koffer tauchten zwei Tage später auf.
Ziel unseres diesjährigen Aufenthaltes sollte es sein, die Studentinnen und Studenten, die in den vergangenen Jahren mit uns gearbeitet hatten, bei ihrem naturwissenschaftlichen Unterricht für Straßenkinder zu begleiten und ihre Unterrichtsversuche erstmalig per Video aufzuzeichnen. Wir wollten wissen, inwieweit sie den experimentellen Zugang zur Physik auf die Arbeit mit den Straßenkindern übertragen konnten und inwieweit sie dabei eigene inhaltliche und methodisch-didaktische Ideen entwickeln. Wir hatten vor, mit ihnen gemeinsam diese Videos anzusehen und die Unterrichtsarbeit zu reflektieren. Wir hofften außerdem, dass wir mit dem Videomaterial gemeinsam mehr über das Lernen und Unterrichtsverhalten von Straßenkindern lernen können.
Wir konnten mit einer Gruppe von zehn Studentinnen und Studenten zusammenarbeiten, mit denen zunächst der Ablauf des Projekts festgelegt wurde. Die Studentinnen und Studenten sollten zum einen in einer Landschule (Las Granjas Infantiles), die besonders auf benachteiligte Kinder ausgerichtet ist zehn- bis zwölfjährige Kinder und zum anderen Straßenkinder unterrichten. Las Granjas Infantiles ist eine Schule in kirchlicher Trägerschaft mit landwirtschaftlich-technischer Ausrichtung. Sie führt von der Preescolar bis zum Abitur. Ein Teil der Kinder (150 von 600) leben im Internat der Schule und haben einen der folgenden Hintergründe: Waise, arm, körperlich behindert. Die Straßenkinder sollten einerseits im Patio Don Bosco in Medellin und auch an zwei Terminen in der Escuela Normal in Copacabana unterrichtet werden.
Die Aufzeichnung des Unterrichts auf Videos wurde von einem kleinen professionellen Kamerateam übernommen.
Unmittelbar nach der Festlegung der Zielrichtung unseres Projektes begannen die Studentinnen selbstständig mit der Einteilung von Gruppen und Themen auf die geplanten Termine und mit der Vorbereitung ihrer Unterrichtssequenzen. Zur Verfügung standen ihnen Materialien und Ideen aus den letzten Jahren, aber auch ein paar von uns mitgebrachte neue Experimentierideen zur Thermodynamik. Sie arbeiten in Gruppen.
Sie griffen dabei auf Experimentierideen zurück, die wir mit ihnen in den letzten Jahren entwickelt hatten, gingen aber auch bald darüber hinaus, indem sie eigene Ideen hinzufügten: Konstruktion von Kaleidoskopen und Periskopen, Präparation von Ochsenaugen…
Dabei sollten von Anfang an Leitideen zu den Unterrichtszielen und den dahin führenden Aktivitäten der Schüler formuliert werden. Wann immer es möglich wäre, sollte mit gleichartiger Unterrichtskonzeption Unterricht für Straßenkinder und für die Einrichtung „Las Granjas Infantiles“ durchgeführt werden.
Insgesamt ergaben sich so drei Unterrichtstermine bei „Las Granjas Infantiles“, zwei Termine mit Straßenkindern in der Escuela Normal und zwei Termine im Patio Don Bosco.
Durchweg war bei den unterrichteten Kindern ein hohes Maß an Aufmerksamkeit und ein großes Interesse an den vorgestellten Phänomenen festzustellen. Deutlich wurde jedoch, dass die Gruppe der Straßenkinder über eine geringere Konzentrationsfähigkeit und weniger entwickelte Vorkenntnisse verfügten.
Gleichermaßen interessiert waren alle Gruppen daran, selbst Experimente durchzuführen. Bei den Straßenkindern zeigte sich ein besonderes Bedürfnis, möglichst viel unterschiedliches Material in einem Versuchsaufbau zu vereinigen. Auch wurde besonders bei Straßenkindern das permanente Wiederholen und Vorführen eines einmal gefundenen Effekts beobachtet.
In den Reflexionsphasen zeigten sich die Studentinnen und Studenten erstaunt darüber, wie viele Details über den Unterrichtsverlauf aus den Videoaufnahmen sichtbar wurden. Heftig wurde die als mehr oder weniger angemessen empfundene Fachsprache der Unterrichtenden kritisiert. Die von den Kindern eingebrachten Vorkenntnisse und Ideen konnten analysiert und verglichen werden. Die Studentinnen und Studenten beobachteten insbesondere, dass zu viel Experimentiermaterial auf den Tischen die Konzentration der Straßenkinder stark beeinträchtigte. In den folgenden Unterrichtsstunden wurden darauf hin nur noch diejenigen Materialien präsentiert, die unmittelbar benötigt wurden.
Neben einem Besuch der Feria de los Flores in Medellin wurden wir in diesem Jahr zu einem Ausflug in das Dorf Gomez Plata eingeladen. Hier lohnte sich bereits die Fahrt durch wunderbare grüne Kordillerenlandschaften und der Ort faszinierte durch seine in Hügellandschaft eingebettete Lage, seinen Markt und reizvolle Straßenzüge.
Unsere Reise nach Kolumbien wurde finanziell von der Pädagogischen Hochschule Heidelberg unterstützt. Wir danken für die Bereitstellung von Unterrichtsmaterial und Reisekostenzuschüssen.