Anfang August 2018 brachen wir nach Kolumbien auf, um erneut ein Projekt im Rahmen von Patio 13 in Copacabana bzw. in Medellín durchzuführen. Als Thema der Physik für Straßenkinder hatten wir für dieses Jahr „Energie“ vorgesehen. Die zwei Projektwochen sollten durch einige Tage in Bogotá zuvor und eine Woche an der kolumbianischen Karibikküste im Anschluss eingerahmt werden.
Gleich am Anfang unserer Reise erlebten wir eine Überraschung: Im Frankfurter Flughafen kam es aus Sicherheitsgründen zur Räumung des Terminal-Bereiches, von dem aus wir nach Bogotá starten wollten, so dass sich unser Abflug mit einer Übernachtung in Frankfurt um 30 Stunden verspätete. Wie sich herausstellte kann aber auch ein unerwarteter, heißer Sommertag in Frankfurt sehr reizvoll sein.
Bei der Ankunft in Bogotá fehlte ein Koffer, der unter anderem eine Menge an Materialien für unser Seminar bzw. für den Unterricht für Straßenkinder enthielt. Nach zwei Tagen und einiger Verunsicherung, begleitet von Vorüberlegungen zu Alternativentwürfen für unser Projekt, kam der Koffer aber gerade noch vor unserer Weiterreise nach Medellín in Bogotá an. In Bogotá erkundeten wir inzwischen unter anderem wieder das Altstadtviertel „Candelaria“, besuchten das Botero-Museum und waren in der „Zona Rosa“.
Medellín empfing uns mit dem gewohnt angenehmen Klima des „immerwährenden Frühlings“ (tagsüber 28°C und nachts 17°C). Mit dem vollständigen Reisegepäck konnten wir unser Projekt in Copacabana beruhigt angehen. Der Empfang bei den Salesianerinnen in der „Casa de Hermanas“ war wie gewohnt herzlich und auch das erste Treffen mit der Schulleiterin Sor Sara Sierra an der Escuela Normal Superior stimmte uns optimistisch. „Unser“ gewohnter Unterrichtsraum, die „Sala de Matematica“ stand uns wieder zur Verfügung und wir fanden reichlich Experimentiermaterial vor, das wir durch unsere für diesen Aufenthalt mitgebrachten Motoren, Solarzellen, einen Generator usw. ergänzten.
Die Arbeit mit 15 Studentinnen und einem Studenten begann dann auch sehr erfreulich. Unsere Einstiegsexperimente zur Energieumwandlung mit Spielzeugautos und elektrisch miteinander verbundenen Elektromotoren erregten das gewünschte Aufsehen und gleich waren wir in der Diskussion über unterschiedliche Energieformen, deren Umwandlung, Vorkommen und Bedeutung im Alltag.
Die Studentinnen machten sich sehr motiviert daran, in Gruppen mit unterschiedlichen Prozessen der Energieumwandlung zu experimentieren. Im Laufe von insgesamt neun Seminarstunden entstanden dann fünf kleine Unterrichtssequenzen mit folgenden Titeln:
Die von den Studentinnen entwickelten Unterrichtssequenzen wurden jeweils im Plenum vorgestellt und diskutiert, Verbesserungsvorschläge wurden anschließend eingearbeitet.
Die so vorbereiteten Unterrichtssequenzen kamen dann zunächst im Dorf Cabuyal, in der Berglandschaft oberhalb von Copacabana gelegen, zum Einsatz. Hier leben aus Krisengebieten geflohene und neu angesiedelte Familien in provisorischen Behausungen unter sehr einfachen Verhältnissen. Die Kinder in diesem Gebiet sind in besonderer Gefahr, eine Straßenkarriere zu beginnen.
Die Studentinnen holten etwa 20 Kinder von durchschnittlich 8 Jahren zusammen. Die Aktivitäten begannen mit einem Sing- und Tanzspiel und der anschließenden Aufteilung in 5 Gruppen. Jede Gruppe wurde dann an jeder Station 20 Minuten lang unterrichtet, jeweils 5 Minuten vor Schluss jeder Phase gab es ein Zeichen.
Die Arbeit mit den sehr motivierten und interessierten Kindern verlief bei hoher Aktivität sehr diszipliniert. An allen Stationen war zu beobachten, dass die Studierenden die Kinder stark in die experimentellen Tätigkeiten einbezogen: Es wurde demonstriert, gemeinsam experimentiert und gewerkelt und die Kinder konnten auch alleine weiter experimentieren.
Am Tag nach dem Besuch in Cabuyal wurde der Einsatz anhand von Fotoaufnahmen und der individuellen Erlebnisse reflektiert. „Was hat gut funktioniert?“, „Wie aktiv und aufmerksam waren die Kinder?“, „Konnten wir Lernsituationen identifizieren?“ und „Was machte Probleme und müsste für den Einsatz im Prado in Medellín verändert werden?“ waren Fragen, denen wir gemeinsam nachgingen. Dann wurde das Material erneut vorbereitet: Diesmal für den Einsatz in Prado direkt auf der Straße der Großstadt Medellín und etwas abseits des allergrößten Gewimmels.
Die Reflexion vor diesem zweiten Besuch und die kleinen didaktisch-methodischen Änderungen zeigten ihre Wirkung: In der besonders schwierigen Situation auf der Straße am Rande des wilden Flohmarktes zeigten sich ca. 10 Jugendliche an den Experimenten interessiert. Sie experimentierten mit den Studierenden und waren mit wachsender Begeisterung bei der Sache.
Wir beobachteten Interesse an den Phänomenen, Erstaunen, intensive Gespräche über Energieformen und Energieumwandlungen. Konkrete Erfahrungen mit Experimentiermaterial wurden auch hier von den Jugendlichen in Prado gesammelt, auch Fachbegriffe wurden benutzt. Sogar das neugierige Publikum, das das Geschehen mit Interesse verfolgte, äußerte sich beeindruckt von den Inhalten, Materialien und den Umsetzungen der Lernangebote durch die Studierenden.
Während unseres Aufenthalts in Copacabana haben wir neben unserem Seminarangebote eine Menge interessanter Ausflüge vor allem innerhalb Medellíns, in den Naturpark Arví bei Medellín und in kleinere Orte in der Umgebung unternommen. Fasziniert hat uns insbesondere wieder Santa Fe de Antioquia, die ehemalige Hauptstadt der Provinz Antioquia, die ihr Aussehen aus dem 19. Jahrhundert nach Verlegung der Regierung nach Medellín im Jahre 1826 weitgehend bewahrt hat. Nach aufwändiger Restaurierung der Plaza Mayor ist Santa Fe ein ausgesprochenes Schmuckstück.
Den Abschluss unserer Reise bildete ein Aufenthalt in Los Naranjos mit einem Ausflug in den Parque Tayrona sowie ein Besuch der Stadt Santa Marta ….. an der karibischen Küste Kolumbiens.